Bäuerinnenstudie Bayern 2019

Ein Stimmungsbild zur Arbeits- und Lebenssituation sowie der sozialen Absicherung der bayerischen Bäuerinnen

Auf den bayerischen landwirtschaftlichen Familienbetrieben sind die Erwerbs- und Familienarbeit eng miteinander verknüpft. Arbeiten an dieser Schnittstelle werden insbesondere von Frauen erbracht. Vorangegangene Studien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigen, dass die Frauen in vielfältige Arbeitsfelder involviert sind und folglich ein großes Arbeitspensum bewältigen. Die letzte bayernweite Erhebung zur Situation der bayerischen Bäuerinnen stammt aus dem Jahr 2007 von Weinberger-Miller und sollte an dieser Stelle durch neue Ergebnisse aktualisiert und ergänzt werden. Die vorliegende Studie beschreibt die Arbeits- und Lebenssituation der bayerischen Bäuerinnen, unter anderem in Bezug auf die Verknüpfung von Familien- und Erwerbsarbeit sowie die Freiräume für Freizeit und Erholungsurlaub. Die Wohn- und Lebenssituation, die Identifikation mit dem Beruf der Bäuerin werden genauso beschrieben wie die soziale Absicherung für den Fall von Krankheit, Pflege, Trennung etc.

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Zusammenfassung des Berichts

Aufbau der Studie

Die Untersuchung basiert auf einer Online-Befragung von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben. Dazu zählen aktuelle Bäuerinnen, zukünftige Hofnachfolgerinnen sowie Altenteilerinnen. Die Erhebung fand zwischen 15. Juli und 30. November 2019 statt. Der Fragebogen bestand aus insgesamt 79 Fragen zu den Themenbereichen Haushaltsgestaltung, Daten zum landwirtschaftlichen Betrieb, Aufgaben und Tätigkeiten, Einkommenssituation, soziale Absicherung, Ehrenamt, Freizeit- und Urlaubsgestaltung und Lebenszufriedenheit und Aussagen zur Person. Insgesamt haben 2295 Frauen an der Befragung teilgenommen. Die Beendigungsquote bezogen auf den Einstieg in die Befragung betrug 66 %.

Die Stichprobe

Die Stichprobe besteht zu 84 % aus Frauen, die entweder selbst oder deren Partner/in aktuell Betriebsleiter/in sind. 9 % sind zukünftige Hofnachfolgerinnen und 5 % sind Altenteilerinnen. Die Befragten bilden die geografische Verteilung und die Spezialisierung der landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern in großen Teilen gut ab. Die Frauen sind im Durchschnitt 45 Jahre alt und in 88 % der Fälle verheiratet.

Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmerinnen ist auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen (66 %), weitere 14 % hatten in ihrer Kindheit einen engen Bezug zur Landwirtschaft. 20 % der Frauen hatten kaum oder wenig Bezug zur Landwirtschaft.

Mit 51 % haben die meisten Frauen den Schulabschluss der Mittleren Reife. 23 % haben eine (fachgebundene) Hochschulreife und 22 % einen Hauptschulabschluss. Bezüglich des Gebiets des Berufsabschlusses wird die Hauswirtschaft mit 30 % am häufigsten genannt, direkt gefolgt vom Bereich Wirtschaft und Recht (28 %). Weitere Gebiete sind mit 15 % Soziales und Gesundheit, Landwirtschaft (10 %) und der Bereich Lebensmittel/Ernährung/ Gastronomie (6 %).

Der landwirtschaftliche Familienhaushalt

Der überwiegende Teil (95 %) der Frauen lebt auf dem landwirtschaftlichen Betrieb. Sehr häufig, d. h. in 93 % der Fälle mit dem/der Partner/in und in 79 % der Fälle mit den Kindern. Bei 17 % leben die Schwiegereltern und bei 9 % die Eltern im selben Haushalt. Auf vielen landwirtschaftlichen Betrieben gibt es mindestens einen weiteren Haushalt.

Wichtige Ergebnisse

Aufgabenverteilung und Verantwortlichkeiten im landwirtschaftlichen Betrieb

Unabhängig vom Produktionsschwerpunkt fallen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb vielfältige Aufgaben an, die sich auch auf die Situation der Frauen auswirken. Über landwirtschaftliche Tätigkeiten hinaus müssen hauswirtschaftliche und familienbezogene Tätigkeiten, Aufgaben aus dem Bereich der Verwaltung sowie auf einem Teil der Betriebe auch Arbeiten rund um die Erwerbskombination erledigt werden. Die Angaben der Studienteilnehmerinnen bestätigen die traditionelle Rollenverteilung bezüglich der Haushaltstätigkeiten und landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Dennoch wird deutlich, dass die Frauen weit über die klassischen weiblichen Bereiche hinaus Verantwortung im Betrieb tragen. Hauswirtschaftliche Tätigkeiten befinden sich hauptsächlich in Frauenhand. So sind 76 % der Studienteilnehmerinnen alleine für die Haushaltstätigkeiten verantwortlich. In 11 % der Haushalte hilft der Partner dabei mit und bei 7 % ist die Verwandtschaft mit hauptverantwortlich. Hinsichtlich der Kinderbetreuung gestaltet sich die Aufteilung der Hauptverantwortlichkeiten anders, wobei zu beachten ist, dass nur in 75 % der Haushalte Kinder leben. In diesen Familien sind die Frauen alleine (42 %) oder gemeinsam mit dem Partner (47 %) für die Kinderbetreuung hauptverantwortlich. Gartenarbeit wird auf 96 % der Betriebe verrichtet, für die 61 % der Frauen alleine hauptverantwortlich sind. Der Bereich der hauswirtschaftlichen Tätigkeiten umfasst auch die Pflege von kranken und pflegebedürftigen Angehörigen. In den meisten der 40 % der Familien, in denen es kranke oder pflegebedürftige Personen gibt,  wird die Pflege von der Familie übernommen. Häufig sind Frauen (47 %) für diesen Bereich alleine hauptverantwortlich, in  25 % der Fälle teilen sich die Frauen den Aufgabenbereich mit dem/r Partner/in. In weiteren 15 % der Familien wird die Hauptverantwortlichkeit mit der Verwandtschaft geteilt

Die landwirtschaftlichen Tätigkeiten umfassen folgende Teilbereiche: Stallarbeit, Feld- und Außenwirtschaft sowie Maschinenwartung. Bezüglich der Stallarbeit ist zu beachten, dass 12 % der Betriebe viehlos bewirtschaftet werden. Auf den meisten (60 %) der verbleibenden Betriebe tragen beide Partner die Hauptverantwortlichkeit für die Stallarbeit. 11 % der Frauen teilen sie sich mit Verwandtschaft (11 %) oder vorwiegend der Partner (16 %) trägt die Hauptverantwortlichkeit dafür. Vorwiegend im Verantwortungsbereich der Partner liegen die Feld- und Außenwirtschaft sowie die Maschinenwartung (56 % bzw. 73 %). Bei der Feld- und Außenwirtschaft sind die Frauen auf manchen Betrieben (22 %) mit dem Partner tätig. In der Maschinenwartung spielen die Frauen hingegen eine untergeordnete Rolle.

Administration, Schriftverkehr und Buchhaltung sowie Bankgeschäfte fallen auf den meisten Betrieben an. Die Frauen sind für die Bereiche Administration, Schriftverkehr und Buchhaltung sowie Bankgeschäfte zu ähnlichen Teilen alleine (37 % bzw. 38 %) oder gemeinsam mit dem Partner (35 % bzw. 36 %) hauptverantwortlich. Die Hauptverantwortlichkeiten der Betriebsfinanzierung sind anders verteilt und liegen überwiegend in gemeinsamer Hand (50 %). Auf weiteren 26 % der Betriebe ist vorwiegend der Partner alleine hauptverantwortlich, in 15 % die Frau alleine.

Weitere Standbeine und dadurch zusätzliche Einkommensquellen stellen Einkommenskombinationen für einen landwirtschaftlichen Betrieb dar, existieren jedoch nicht auf allen befragten Betrieben. Dort, wo weitere Betriebszweige vorhanden sind, liegen die Hauptverantwortlichkeiten für die verschiedenen Zweige entweder bei der Frau alleine, bei beiden Partnern, bei dem/r Partner/in alleine oder in geringem Maße bei anderen Familienmitgliedern. Frauen haben häufig die Hauptverantwortlichkeit für den Lern- und Erlebnisort Bauernhof (54 %), den Urlaub auf dem Bauernhof/Agrotourismus (45 %) und die Direktvermarktung/Bauernhofgastronomie (27 %); auf weniger Betrieben teilen sich die Partner die Hauptverantwortlichkeit (28 %, 23 % und 41 %).

Wie bereits aus den Hauptverantwortlichkeiten deutlich hervorgeht, sind die Frauen in vielfältige Tätigkeitsbereiche involviert. Die meisten Studienteilnehmerinnen wenden wöchentlich über 20 Stunden für den Haushalt (45 %), die Kinderbetreuung (43 %) und die außerlandwirtschaftliche Erwerbstätigkeit (38 %) auf. Mehr als 40 % der Frauen arbeiten pro Woche 11 und mehr Stunden im landwirtschaftlichen Betrieb und in einem Diversifizierungszweig. In der Befragung geben 79 % der Frauen an, dass ihre Mitarbeit auf dem landwirtschaftlichen Betrieb eine (sehr) große Rolle spielt. Für 51 % der Frauen ist auch ihr Beitrag zum Gesamteinkommen des Haushalts von großer Bedeutung. Entlastungshilfen von auswärts werden am häufigsten für den landwirtschaftlichen Betrieb in Anspruch genommen (57 %), sehr viel seltener für den Diversifizierungszweig (24 %) oder für Haushaltstätigkeiten (zwischen 13 % und 24 %).

Außerlandwirtschaftliche Erwerbstätigkeit

Trotz der aus Haushalt und Landwirtschaft resultierenden Doppelbelastung gehen 41 % der Befragten einer außerlandwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit nach. Wichtige Motive sind hierbei, die Möglichkeit eigenes Geld zu verdienen (88%) und einen Beitrag zum Haushaltseinkommen zu leisten (78%), den Kontakt zu anderen Menschen zu pflegen (85 %), und Abwechslung zum Hofleben zu finden (83 %) und ihre erlernten Fähigkeiten anzuwenden (81 %).

Betriebsleitung, Anstellung finanzielle Absicherung und Haftung

Insgesamt 50 % der Frauen leiten den Betrieb gemeinsam mit ihrem Partner. Weitere 33 % sind mitarbeitende Familienangehörige. Nur 8 % der Frauen leiten den Betrieb selbst. Die wenigsten Frauen haben den Status einer Festangestellten oder geringfügig Beschäftigten. So sehen sich 35 % der Frauen für den Fall der Trennung finanziell nicht abgesichert, weitere 23 % machen hierzu keine Angabe. Das finanzielle Betriebsrisiko wird häufig gemeinsam geschultert, 39 % der Frauen geben an, mit dem Partner gemeinsam zu haften, in weiteren 4 % der Fälle haftet die Frau für einzelne Darlehen aber nicht für den gesamten Betrieb.

Die Altersvorsorge gestaltet sich bei den Frauen sehr vielschichtig, wichtig sind insbesondere die Bezüge aus der landwirtschaftlichen Alterskasse, Einkünfte aus der privaten oder öffentlichen Altersvorsorge. Es zeigt sich, dass für aktuelle Betriebsleiterinnen und zukünftige Hofnachfolgerinnen öffentliche Rentenkassen jenseits der landwirtschaftlichen Alterskasse an Bedeutung gewinnen.

Arbeitsbelastung und Freizeit

Die meisten Frauen empfinden die Arbeitsbelastung als hoch oder sehr hoch. Die Möglichkeit, in der Freizeit Ausgleich zu finden gestaltet sich unterschiedlich. Nur 28 % machen regelmäßig/jährlich Urlaub. Über 60 % haben weniger als 5 Stunden Freizeit in der Woche. Es sind 59 % darauf angewiesen, den Tag genau zu planen. Mehr Zeit für sich selbst und für Freunde und Bekannte wünschen sich 59 % bzw. 52 % der Frauen.

Ehrenamt

Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben sind auch häufig ehrenamtlich tätig. 65 % von ihnen üben ein oder mehrere Ehrenämter aus, davon 53 % in einer leitenden Funktion. Die häufigst genannten Organisationen sind dabei die Kirche (36 %), der Bauernverband (36 %) und die Landfrauen (35%).

Wohnen und leben auf dem Land

Die meisten landwirtschaftlichen Betriebe befinden sich im Dorf (40%) oder Randlage (26 %), 30 % der Höfe in Einzellage. Die Frauen schätzen an dieser Wohnsituation die Nähe zur Natur, die Ruhe und den Platz. Auch die Versorgung mit Kindergärten und Schulen sowie die Gesundheitsversorgung wird als gut beschrieben. Schlecht schneiden hingegen der Zugang zum öffentlichen Personennahverkehr, Weiterbildungsangebote und Ganztagsbetreuungs-angebote für die Kinder ab.

Der Beruf der Bäuerin

Am Beruf der Bäuerin schätzen die Frauen die Arbeit im Freien, dass das Zuhause der Arbeitsplatz ist und die freie Zeiteinteilung. Mit ihrer Arbeit sind 55 % der Frauen zufrieden, mit dem Einkommen 40 %. Trotz dieser insgesamt positiven Einschätzung finden 43 % die Arbeitsbelastung (viel) zu hoch. Und auch die Zukunft des landwirtschaftlichen Betriebes sehen viele Frauen mit Sorgen (44 % beurteilen diese als (sehr) schlecht). Und so bereitet die zunehmende Regulierung der Landwirtschaft (69 %), die EU Agrarpolitik (68 %) und das Image der Landwirtschaft (62 %) den Frauen große Sorgen.

Handlungsempfehlungen

Auf Grundlage der oben skizzierten Ergebnisse können mögliche Handlungsfelder abgeleitet.

50 % der Frauen geben an, dass sie den Betrieb mit ihrem/r Partner/in leiten. 39 % haften auch gemeinsam mit ihrem/r Partner/in. Diese Lebenswirklichkeit wird in der Agrarstatistik nicht abgebildet, die die Betriebsleitung nach Geschlecht aufschlüsselt. Es sollten Wege gefunden werden, die gemeinsame Betriebsleitung auch statistisch abzubilden.

Es ist als problematisch anzusehen, dass die soziale Absicherung zum Teil wenig beachtet wird. Dies sollte im Sinne der Fürsorgefunktion des Staates im Rahmen geeigneter Möglichkeiten, z. B. durch die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, thematisiert werden.

Die Frauen sehen sich einer hohen zeitlichen Belastung ausgesetzt und finden oftmals keinen Ausgleich durch Erholungsurlaub. Als Hauptgrund dafür werden fehlende Arbeitskräfte (70 %) genannt. Der Ausbau eines effektiven Unterstützungsnetzwerks (z.B. durch Betriebshelfer) sollte ins Auge gefasst werden.

Das Ausmaß der Sorgen um die Entwicklungen in der Agrarpolitik gepaart mit der Sorge um die Zukunft des Betriebs zeigt, dass eine Verbesserung der politischen Begleitung der landwirtschaftlichen Betriebe wünschenswert ist.

Die Frauen identifizieren sich sehr stark mit der Landwirtschaft und engagieren sich in der Gesellschaft. Entsprechend belastend empfinden sie das schlechte Image der Landwirtschaft und ihres Berufs. Die Studie zeigt einmal mehr, dass sich die gesellschaftliche Erwartungshaltung geändert hat und die Öffentlichkeit sich auch durch die sozialen Medien ändert. Hier ergeben sich wichtige Handlungsfelder, insbesondere für die Berufs- und Fachverbände und auch für die aktive Involvierung der landwirtschaftlichen Betriebe.

Der ausführliche Bericht sowie die Ergebnispräsentation sind am Seitenanfang zum Download verfügbar.